Im Juli 1974 nahm das Umweltbundesamt (UBA) seine Arbeit auf – als erste nationale Umweltbehörde in Deutschland. Das 50. Jubiläum ist Anlass, kritisch zurückzuschauen auf die eigene Geschichte, auf Erfolge und Misserfolge, aber auch auf die Herausforderungen, denen sich der Umweltschutz künftig stellen muss.
In der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (1969–1974) wird der Umweltschutz endlich eigenständiger Politikbereich. Bereits im Oktober 1971 legt Hans-Dietrich Genscher, damals als Innenminister für Umweltschutz zuständig, das erste Umweltprogramm der Bundesregierung vor. Das Programm empfiehlt die Errichtung eines „Bundesamts für Umweltschutz“.
Am 22. Juli 1974 legt das Umweltbundesamt mit rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin (West) los. Die Entscheidung bleibt nicht ohne Kritik – das SED-Blatt „Neues Deutschland“ spricht von einem Anschlag auf die Entspannung.
In den ersten Jahren kümmert sich das Umweltbundesamt vor allen um gesunde Luft, weniger Lärm und Abfall. Ende der 1970er Jahre hat das Amt bereits rund 400 Beschäftigte.
Gleich zu Beginn der 80er Jahre legt das Umweltbundesamt eine Analyse zu Ursachen und Wirkungen des Sauren Regens vor. Die klare Empfehlung lautet: Die Emissionen deutlich mindern und das möglichst direkt bei den Kraftwerken. Deutschland nimmt schnell eine Vorreiterrolle bei der Luftreinhaltung ein. Daten aus dem Luftmessnetz des Umweltbundesamtes liefern bis heute wichtige Erkenntnisse zum atmosphärischen Ferntransport von Luftschadstoffen.
Im Jahr 1984 legt das Umweltbundesamt erstmals seine „Daten zur Umwelt“ vor. Das Buch leitet eine Reihe von Berichten ein, die bis heute zu den gefragtesten Publikationen des Umweltbundesamtes gehören. Das Interesse der Öffentlichkeit am Umweltschutz wächst: Den „Zentralen Antwortdienst“ des Umweltbundesamtes erreichen 1980 bereits über 15.000 Anfragen.
1980
Der gemeinsam mit der Industrie entwickelte lärmarme Lkw wird vorgestellt
1982
Chemikaliengesetz: Das UBA prüft Umweltauswirkungen neuer Stoffe
1983
Die Großfeuerungsanlagenverordnung tritt in Kraft. Mit Erfolg: Bis 1993 sinkt allein in Westdeutschland der Ausstoß von Schwefeldioxid um 89 Prozent.
1980
Der gemeinsam mit der Industrie entwickelte lärmarme Lkw wird vorgestellt
1982
Chemikaliengesetz: Das UBA prüft Umweltauswirkungen neuer Stoffe
1983
Die Großfeuerungsanlagenverordnung tritt in Kraft. Mit Erfolg: Bis 1993 sinkt allein in Westdeutschland der Ausstoß von Schwefeldioxid um 89 Prozent.
Das Interesse der Öffentlichkeit am Umweltschutz wächst: Den „Zentralen Antwortdienst“ des Umweltbundesamtes erreichen 1980 bereits über 15.000 Anfragen.
Bleifreies Benzin, „Tempo 120“ auf deutschen Autobahnen oder Katalysatorpflicht – die Empfehlungen des Umweltbundesamtes stoßen nicht immer auf Gegenliebe bei Politik, Wirtschaft und Verbänden. Mit dem groß angelegten Modellprojekt „Fahrradfreundliche Stadt“ trägt das Umweltbundesamt wesentlich zum Fahrradboom der 1980er Jahre bei – und setzt sich generell für eine Verkehrsberuhigung ein.
Seit 1987 ist es amtlich: Die Novelle des Wasch- und Reinigungsmittelgesetzes schreibt vor, dass Tenside biologisch abbaubar sein müssen. Außerdem müssen die Angaben zur Umweltverträglichkeit an das Umweltbundesamt gemeldet werden.
1988 legt das Umweltbundesamt bereits zum dritten Mal eine umfassende Bestandsaufnahme zur Lärmbekämpfung in der Bundesrepublik vor. Dauerhafter Lärm erhöht das Erkrankungsrisiko und kann ernste gesundheitliche Folgen haben. Das UBA befasst sich deshalb seit seiner Gründung mit dem Schutz der Bevölkerung vor Lärm als Tätigkeitsschwerpunkt.
„Das Umweltbundesamt hat wichtige Vorarbeiten für praktisch alle bedeutsamen Entscheidungen und Veränderungen in der Umweltpolitik geleistet.“
Hans-Dietrich Genscher | Bundesminister a. D.
Früh aktiv im Klimaschutz: 1990 nimmt das Fachgebiet „Schutz der Erdatmosphäre“ seine Arbeit auf.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung bekommt das UBA Verstärkung durch rund 200 Beschäftige aus ostdeutschen Umweltämtern.
Militärische Altlasten: Über 1.000 Liegenschaften der sowjetischen Truppen bewertet das UBA nach der Wende in den neuen Bundesländern.
Nach der Auflösung des Bundesgesundheitsamts wird 1994 das traditionsreiche „Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene“ („WaBoLu“) mit rund 300 Beschäftigten und mehreren Außenstellen in das UBA integriert.
Erst 1994 wird mit Artikel 20a der Umweltschutz im Grundgesetz verankert. Schon 1970 forderte Hans-Dietrich Genscher in der ersten Umweltdebatte des Deutschen Bundestags: „Das Grundgesetz kennt das Wort Umweltschutz noch nicht. Dem Grundrechtskatalog fehlt ein Menschenrecht auf unschädliche Umwelt.“
Nach 21 Jahren unter der Leitung von Gründungspräsident Heinrich von Lersner bekommt das UBA im Jahr 1995 einen neuen Präsidenten: Andreas Troge. Der promovierte Ökonom bringt einen neuen Stil und frischen Schwung ins Amt.
1995
Die Umweltprobenbank des UBA geht nach mehrjähriger Probephase in den Regelbetrieb
1996
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz tritt in Kraft
1998
Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag: Reisen und Forschen in der Antarktis genehm-igt jetzt das UBA
1995
Die Umweltprobenbank des UBA geht nach mehrjähriger Probephase in den Regelbetrieb
1996
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz tritt in Kraft
1998
Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag: Reisen und Forschen in der Antarktis genehm-igt jetzt das UBA
1997 zeigt die Studie „Nachhaltige Entwicklung in Deutschland“ neue Perspektiven auf: Für den Umweltschutz sind nicht nur Staat und Industrie verantwortlich, auch jede und jeder Einzelnen kann helfen. Denn: Ein Großteil der Umweltprobleme beruht auf den herrschenden Konsummustern.
Als „eine der zwei großen Niederlagen des Umweltbundesamtes“ bezeichnet Andreas Troge aus damaliger Sicht das 1998 verabschiedete Bodenschutzgesetz, da, so Troge, wesentliche Empfehlungen des UBA im Gesetzestext keine Berücksichtigung fanden.
Im Juli 2002 tritt die EG-Umgebungslärmrichtlinie in Kraft. Sie soll die Lärmbelastung der Bevölkerung europaweit senken. Das Umweltbundesamt war maßgeblich an ihrer Erarbeitung beteiligt.
Auf dem Versuchsfeld Berlin-Marienfelde entsteht die neue Fließ- und Stillgewässersimulationsanlage (FSA). Das UBA erforscht hier unter anderem, wie Chemikalien auf Pflanzen und Tiere in Gewässern wirken.
Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) ist seit 2004 im UBA für die Umsetzung des EU-Emissionshandels in Deutschland zuständig. Der neue Fachbereich wurde innerhalb kurzer Zeit aufgebaut – pünktlich zum europaweiten Start des Emissionshandels ab 2005 – und feiert 2024 das 20. Jubiläum.
Im Mai 2005 zieht das UBA mit erstem Dienstsitz nach Dessau. Der Einzug in den neu errichteten ökologischen Musterbau ist Folge eines Beschlusses der Bundesregierung, mehr Behörden in den neuen Ländern anzusiedeln.
Ab 2005 wird die Ablagerung unbehandelter Siedlungsabfälle auf Deponien verboten. Zu der neuen Verordnung leistete das UBA wesentliche Vorarbeiten.
Im selben Jahr treten mit Hilfe des UBA festgelegte Grenzwerte für Feinstaub in der Luft in Kraft. Diese bilden eine wichtige Grundlage der ab 2008 geltenden EU-Richtlinie.
2009 scheitert das Umweltgesetzbuch endgültig – Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gibt das Vorhaben aufgrund massiver politischer Widerstände auf. Das UBA hatte sich seit Jahrzehnten sehr für das Thema stark gemacht.
Mit einer umfassenden UBA-Studie weist das UBA 2010 nach: Nächtlicher Fluglärm erhöht das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen. Das Amt empfiehlt daher: Keine Nachtflüge zwischen 22 Uhr und 6 Uhr.
„Energieziel 2050“ – 2010 zeigt eine UBA-Studie, dass eine sichere Stromversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien möglich ist. Und Ende 2013 kann das UBA in der Studie „Treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050“ zeigen, dass im Jahr 2050 sogar 95 Prozent weniger Treibhausgase möglich sind als 1990.
Blei macht dumm. Und daher gibt es seit 1. Dezember 2013 einen strengen Grenzwert. Trinkwasser darf maximal 0,01 Milligramm Blei pro Liter enthalten. Da Wasser aus Bleileitungen diesen Grenzwert praktisch nicht einhalten kann, müssen die Leitungen ausgetauscht werden.
„Wir benutzen die Erde, als seien wir die letzte Generation, die auf ihr lebt!“
Heinrich Freiherr von Lersner (1930 – 2014)
Präsident des Umweltbundesamtes von 1974 bis 1995
Im September 2015 fliegt der Dieselskandal auf: Autos namhafter deutscher und europäischer Hersteller haben illegale Abschalteinrichtungen in ihre Diesel-Fahrzeuge eingebaut. Messungen und Modellierungen des UBA zeigen im Jahr 2017: Die Flotte der Diesel-Pkw stößt durchschnittlich sogar noch mehr Stickstoffoxide aus, als nach Bekanntwerden des Dieselskandals befürchtet. Im Jahr 2018 belegt das UBA die damit verbundenen Gesundheitsrisiken, wie zum Beispiel Lungenkrebs.
2015
Mit HBM4EU startet das vom UBA geleitete, siebenjährige EU-Projekt zum Human-Biomonitoring
2016
In der Antarktis wird im Rossmeer das weltweit größte Meeresschutzgebiet mit 1,55 Mio. km² eingerichtet
2017
Sonderbericht des Weltklimarates über 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung erscheint
2018
EU stuft die Chemikalie Bisphenol A als „besonders besorgniserregend“ ein
2015
Mit HBM4EU startet das vom UBA geleitete, siebenjährige EU-Projekt zum Human-Biomonitoring
2016
In der Antarktis wird im Rossmeer das weltweit größte Meeresschutzgebiet mit 1,55 Mio. km² eingerichtet
2017
Sonderbericht des Weltklimarates über 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung erscheint
2018
EU stuft die Chemikalie Bisphenol A als „besonders besorgniserregend“ ein
In den Meeren finden sich immer mehr kleine Plastikstückchen und sogenanntes Mikroplastik. Seevögel verhungern, weil ihr Magen voller Plastik ist, welches sie für Nahrung hielten. Das UBA rät daher, den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt generell drastisch zu reduzieren.
Im Jahr 2018 wird Klimaschutz zu einer globalen Bewegung: Schülerinnen und Schüler gehen freitags in den Schulstreik und drängen auf die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
Das neue Verpackungsgesetz tritt 2019 in Kraft und Hersteller sind verpflichtet, sich im Verpackungsregister zu registrieren. Mit Erfolg: Statt zuvor ca. 55.000 Unternehmen tragen nun über 900.000 Firmen die Kosten der Verpackungsentsorgung. Ambitionierte Quotenvorgaben sorgen für erhebliche Fortschritte, z.B. beim Recycling von Kunststoffverpackungen. Ab Juli 2021 gilt ein Verbot von Einwegkunststoffprodukten wie Wattestäbchen, Trinkhalmen und Besteck.
Neben Debatten um die Verringerung der Auswirkungen von Kunststoffprodukten auf die Umwelt diskutiert Deutschland während der Corona-Pandemie verstärkt über die Themen „Lüften“ und „Aerosole in Innenräumen“.
Seit 2021 legt das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) einen CO2-Preis für die Sektoren Wärme und Verkehr fest. Die Einnahmen aus dem nEHS fließen in Investitionen für Klimaschutz, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien.
Am 01. Januar 2020 tritt der Nachhaltigkeitsforscher Prof. Dr. Dirk Messner seine Position als neuer Präsident des Umweltbundesamtes an:
„Alle Themen, mit denen sich das Umweltbundesamt beschäftigt, stehen jetzt ganz oben auf der politischen Agenda: Klimaschutz, die Zukunft der Mobilität, oder Kunststoffe in der Umwelt, um nur einige zu nennen.“
Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes
Der russische Angriffskrieg hat globale Folgen – auch für die Umweltpolitik. Im Frühsommer 2022 untersucht eine UBA-Taskforce die Auswirkungen des Krieges auf die Nahrungsmittel- und Energieversorgung sowie das Gesundheitssystem. Angesichts der durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Energiekrise gibt das UBA im Herbst 2022 Tipps zum Energiesparen.
In Deutschland fallen jährlich circa 240 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an. Mit der „Mantelverordnung“ können sie nun als Ersatzbaustoffe wiederverwendet werden und kommen u.a. im Straßenbau zum Einsatz.
Das UBA schlägt vor, die Mehrwertsteuer stärker an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten und rät zu null Prozent Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse sowie den öffentlichen Verkehr. Das Paket soll für eine sofortige Entlastung der durch stark gestiegene Lebensmittelpreise und Mobilitätskosten beanspruchten Haushaltskassen sorgen und gleichzeitig die Umwelt schützen.
Salzeinleitungen, Hitze und die Bildung einer giftigen Alge führen im September 2022 zu einem massiven Fischsterben in der Oder. Die Bundesumweltministerin mahnt zu mehr Resilienz für die Gewässer in Deutschland.
Am 13. September bzw. 31.Oktober 2023 wird der Bericht zum ökologischen Zustand der Nordsee und des Nordostatlantiks bzw. der Ostsee von der Oslo-Paris-Kommission bzw. der Helsinki-Kommission veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die Meeresgewässer aufgrund vielfältiger anthropogener Belastungen in keinem guten Zustand sind.
2024 – 2050
Fleisch ist zunehmend in der Debatte – und Ersatzprodukte werden auch in Deutschland immer beliebter. Die UBA-Studie „Fleisch der Zukunft“ untersucht, welche Auswirkungen die drei Alternativen pflanzlicher Fleischersatz, essbare Insekten und Invitro-Fleisch auf Umwelt und Gesundheit haben.
Der „Mobilität von morgen“ widmet sich das UBA in Deutschland bereits seit 2016 im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche. Neue Mobilitätsoptionen werden getestet und der Straßenraum so verändert, dass Nachhaltigkeit und Lebensqualität stärker im Fokus stehen. Infoveranstaltungen, Wettbewerbe und Blicke hinter die Kulissen geben neue Perspektiven und Inspiration für den Alltag.
Mit Künstlicher Intelligenz (KI) in die nachhaltige Zukunft? Seit 2023 hat das UBA ein Labor für Künstliche Intelligenz (das KI-Lab). Es schafft Grundlagen, um die Analyse großer Mengen an Umweltdaten (Big Data) zu vereinfachen und nachhaltige Umweltpolitik zu erleichtern.
Blick in die Zukunft:
Auf die Zukunft bauen
Seit September 2023 setzt der Erweiterungsbau des UBA in Dessau-Roßlau Maßstäbe für die nachhaltige Transformation des Bausektors und die Klimaneutrale Bundesverwaltung: Das Gebäude versorgt sich im Betrieb vollständig selbst – durch Photovoltaik und eine Wärmepumpe. Umweltverträgliche Baustoffe wie Recyclingbeton und eine Dämmung mit nachwachsenden Rohstoffen sind selbstverständlich.
Der Gründungsstandort des UBA am Berliner Bismarckplatz öffnet in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre nach umfangreichen Sanierungen seine Pforten für die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt. Das Gebäude aus den 1930er Jahren erfüllt nicht nur den Gold-Standard für Sanierungen, sondern bietet auch „New Work Zones“ für das Arbeiten von morgen.
Der Bau von Gebäuden setzt große Mengen an Treibhausgasen frei. Deshalb gilt es, Baurohstoffe besser zu recyclen und im Kreislauf zu führen. Bereits seit 2022 setzt das UBA mit dem Projekt „AdNEB – Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken“ einen neuen Fokus auf die Transformation des Gebäudebestands, nachhaltige Baumaterialien und Energieeffizienz.
Unser Jubiläumsfest
Wir freuen uns auf Ihren Besuch beim UBA-Jubiläumsfest am 15.06.2024 in Dessau-Roßlau!